"Oberhessische Presse" vom 16. November 2002
Tageszeitung für den Kreis Marburg-Biedenkopf
137. Jahrgang, Nr. 267, Franz-Tuczek-Weg 1, 35039 Marburg

Ljudmila Putina macht Sprachlehrern Mut: Interesse an Russisch wächst
Russlands First Lady trug sich ins Goldene Buch der Stadt Marburg ein und hielt einen kurzen Vortrag

Marburg. Anlässlich des Festaktes zum 40-jährigen Bestehen des deutschen Russischlehrer-Verbandes sprach Ljudmila Putina am Freitag vor rund 200 geladenen Gästen im Schloss.
Von Anna Ntemiris

Russlands First Lady kann - wie ihr Ehemann Wladimir Putin - exzellent Deutsch sprechen, heißt es immer wieder in Berichten über Ljudmila Putina. Am Freitagabend sprach die Gattin des russischen Präsidenten in ihrem Vortrag allerdings ihre Muttersprache. Mit der Übersetzung war es ähnlich wie mit der Technik an diesem Abend im Marburger Landgrafenschloss: Es haperte hier und da.
So sah sich Marburgs Oberbürgermeister Dietrich Möller (CDU) gezwungen, selbst mal am Mikrofon zu drehen, und Uni-Präsident Professor Horst Franz Kern machte in seiner Rede auf die technischen Mängel aufmerksam.
Die Zuhörer, vorwiegend Russischlehrer und Dozenten aus der gesamten Bundesrepublik sowie aus Russland, konnten wegen der technischen Störungen mehrere musikalische Beiträge nur mit Mühe genießen. Putinas Rede verstanden die meisten Gäste im Fürstensaal besser auf Russisch als auf Deutsch.
Die 44-Jährige sprach über das wachsende Interesse an der russischen Sprache in Deutschland. Der Grund sei der immer intensiver werdende Kontakt zwischen den Ländern. „Das heutige Russland ist eines der dynamischsten Länder Europas", sagte Putina.
Der Bundesvorsitzende des Russischlehrer-Verbandes, Hartmut Nickig, betonte, dass das Interesse an der russischen Sprache nicht ausreiche. „Wir brauchen mehr als Sprachunterricht. Wir brauchen russische Kulturzentren und ein deutsch-russisches Jugendwerk", forderte Nickig. Etwa 150000 der bundesweit zehn Millionen Schüler lernen zurzeit Russisch.
Es werde ein „spannender und ehrgeiziger Wettbewerb", ob Russisch seinen dritten Platz künftig verteidigen könne, sagte Hessens Kultusministerin Karin Wolff (CDU). Die Beziehungen der beiden Länder - ob kulturell, politisch oder wirtschaftlich - hätten inzwischen eine breite Basis: „Wir sind uns näher als je zuvor." Sie wolle Putina daher bitten, ihr Engagement für die deutsche Sprache in ihrem Heimatland fortzusetzen.
Uni-Präsident Kern erinnerte daran, dass Marburg und insbesondere die Philipps-Universität seit Jahrzehnten enge Verbindungen zu Russland hat. Er schlug in seiner Rede einen Bogen von Boris Pasternak bis hin zu den heutigen Austauschstudierenden.
„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel von der russischen Seele in Marburg lebt", sagte Oberbürgermeister Möller zu Ljudmila Putina, die sich zuvor ins Goldene Buch der Stadt Marburg eingetragen hatte. Marburgs Stadtchef lud die Präsidentingattin für Samstag zu einem Besuch in der Oberstadt ein. Nach OP-Informationen wird Ljudmila Putina diese Einladung annehmen und heute in der Stadt sein.
Für Putina, die unter strengen Sicherheitsvorkehrungen nach Marburg gereist war, richtete die hessische Landesregierung im Anschluss an die Feier des Verbandes einen Empfang aus.
Die Sicherheitsregeln waren so streng, dass während des Festaktes weder ein Taxi noch ein Krankenwagen zum Marburger Landgrafenschloss fahren durften, um eine erkrankte russische Besucherin abzuholen.

40 Jahre DRLV